Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 | So fing alles an | Seite 20 |
Kapitel 2 | Der Eignungstest | Seite 24 |
Kapitel 3 | Kein schwieriger Auftrag | Seite 72 |
Kapitel 4 | Unter Verdacht | Seite 81 |
Kapitel 5 | Es wird ernst | Seite 98 |
Kapitel 6 | Informanten | Seite 117 |
Kapitel 7 | Gehaltserhöhung | Seite 145 |
Kapitel 8 | Wenn das FBI in Erscheinung tritt | Seite 205 |
Kapitel 9 | Ein gutes oder miserables Ende | Seite 234 |
„Fuck, Fuck, Fuck…“, murmelte ich vor mich hin
als von hinten aus dem Fond meines klapprigen Citroen
mein Filius rief:
„Daddy, dieses Wort sagt man nicht… was wolltest
du denn sagen?“
„Fuck….mein lieber Junge…“, sagte ich ohne den
Kopf zu wenden „… muss kein böses Wort sein. Fuck
sage ich z.B., wenn ich mich mit dem Hammer beim
Nageln unseres Gartenzaunes auf den Daumen schlage.
Fuck sage ich auch, wenn mich etwas erstaunt hat, z.B.,
wenn deine Mutter ein T-Bone-Steak auf dem Grill
behält, bis es schwarz ist. Fuck sage ich auch, wenn deine
Schwester wieder einmal eine schlechte Schulnote
heimgebracht hat“.
„Aber es ist trotzdem ein schmutziges Wort und
der Rektor unserer Schule in Chicago hat uns verboten
es zu benutzen.“
„Ich weiß…“, antwortete ich „…euer Rektor, Mr.
Calicut war ein seltsamer Vogel, fern jeder Realität
Übrigens habe ich dir eingeschärft, als wir losgefahren
sind, dass du nie wieder Chicago und Dinge aus unserer
Vergangenheit erwähnen sollst. Wir sind seit drei
Wochen nicht mehr die Lamberts aus der Monrose-Ave.
in Chicago, sondern - und das prägt euch ein - wir sind
jetzt die Familie Raphaèl und du bist nicht mehr der
Billy, sondern George. Merkt euch das endlich! Es hängt
unser Leben davon ab, dass wir uns nicht verplappern.
Wir befinden uns im Zeugenschutzprogramm des FBI.
Habe euch schon dreimal erklärt, was das bedeutet.“
Während ich das sagte, drehte meine Frau Léa,
die neben mir auf dem Beifahrersitz Platz genommen
hatte, den Kopf mir zu, indem sie sagte
„Hier riecht es etwas streng! Findest du nicht
auch?“
Ich schnupperte und musste feststellen
„Hier stinkt es!“
„Das war der Hund…“, kam es von hinten und
Flavio meinte „…der hat etwas Unrechtes gefressen.“
„Schieb nicht schon wieder alles auf Molly“, sagte
meine Tochter Blanche im hinteren Teil des Wagens,
wo sie zusammen mit George und dem Hund Platz
genommen hatte.
Ich hatte den Kindern versprochen, wenn sie sich
in unsere neue Situation gut einfügen, würde ich ihnen
ein Hündchen als Haustier kaufen. Warum sie diesem
Fiffi den Namen Molly gaben, war mir nicht erklärlich,
denn der Hund war zaundürr und ich fand, dass der
Name überhaupt nicht zu ihm passte. Molly war eine
Promenaden-Straßen-Mischung, an der sowohl ein Chihuahua
als auch irgendein Jagdhund, ein Spitz oder
Pudel beteiligt gewesen sein mussten. Ein Bernhardiner
kann nicht dabei gewesen sein, denn dann wäre wohl die
arme Hundemama bei der Geburt geplatzt.
***
Man muss wissen, dass ich aus einem kleinen Nest
westlich von Chicago namens Prophettown stamme. Das
Nest hatte gerade mal zweitausend Einwohner und mein
Vater hatte als Obsthändler ein karges Einkommen. Das
Örtchen lag am Rock River, der in den Lake Koshkonong
mündet. Das einzige was in diesem Zusammenhang
erwähnenswert wäre, ist, dass am 15. Juli 2013
in der Washington Street Prophettowns ein Feuer ausbrach,
das sich zu einem Großbrand entwickelte und das
eine ganze Häuserzeile mit 6 Wohnund Geschäfts16
häusern komplett zerstört hatte; zwei weitere Häuser
wurden schwer beschädigt. Auch unser Haus fiel den
Flammen zum Opfer. Die Ursache war Brandstiftung,
weswegen zwei Jugendliche 16 und 12 Jahre, als Verdächtige
festgenommen wurden. Es waren Cousins von mir –
wie konnte es anders sein?!
Das Ereignis fand großes mediales Echo,
insbesondere die unterdimensionierte Wasserversorgung
des Ortes reichte nicht aus und die Feuerwehr hatte
deswegen größte Schwierigkeiten. Das Wasser musste
teilweise mit einem privatem Tank aus dem Fluss Rock
River und aus verschiedenen Teichen herangeschafft
werden.
Das war für meinen Vater schließlich auch der
Grund einem Gedanken nachzukommen, den er schon
lange mit sich herumtrug, nämlich diesen wunderbaren
Ort Prophettown, endlich zu verlassen. Es fiel unserer
Familie auch leicht nach Chicago umzuziehen, denn als
ich gerade mal fünf Jahre alt war und der Bruder meines
Vaters, der in Chicago ebenfalls einen Obstladen hatte,
sich erbot, meinen Vater an seinem Geschäft zu beteiligen.
Er, also mein Onkel, war schon ziemlich alt. Das
Geschäft ging deshalb schon nach drei Jahren auf meinen
Vater über. Mein Vater war ein gewiefter Geschäftsmann,
der seinen Kunden, um den Profit zu steigern, ab und zu
schon mal eine faule Tomate unterschmuggelte. Dagegen
legte er, wenn ihm einer seiner Kunden bedürftig
vorkam, gerne einen Bund Kohlrabi oder ähnliches
kostenlos dazu, er war dann jedenfalls ein Gutmensch.
Chicago war für mich, wo ich gerade am
Heranwachsen war, eine tolle Stadt. Wir wohnten in der
West Nelson Street 1, einem nicht besonders guten
Viertel. Ich schloss mit den Nachbarskindern umgehend
Freundschaft und wir vertrieben uns die Zeit, indem wir
die Nachbarn ärgerten und die zahlreichen hier
beheimateten Tauben jagten. Einer meiner Freunde
brachte eines Tages eine Wasserpistole mit, mit der wir
nicht nur auf die Katzen, sondern auch auf die Tauben
zielten. Bald kam mir diese Art von Sport langweilig vor.
Wir brauchten eine schärfere Waffe, was ich zu meinem
Kumpel Freddy sagte, der gleich darauf eine tolle
Luftpistole besorgte. Das machte schon größeren Spaß.
Von einem unserer Dachfenster aus zielten wir auf eine
der Tauben, die auf einer gegenüberliegenden Stromleitung
saß. Die Pistole hatten wir mit einem FederBolzen geladen, der eigentlich keine scharfe Wirkung
verursachte. Ich legte an und zielte und drückte ab und
ich hatte nicht das Gefühl, dass ich ein besonders guter
Schütze war. Trotzdem fiel zu meinem großen Erstaunen
und zum Erstaunen von Freddy die Taube plötzlich
flügelschlagend wie ein Stein von der Stromleitung
herunter. Ich hatte Angst, dass ein Passant den Sturz der
Taube beobachtet haben könnte und nach Untersuchung
derselben feststellen musste, dass ein harmloser
Bolzen sie erledigt hat. Doch nichts passierte. Der Mord
blieb unentdeckt. (Fuck you!)
Kapitel I
So fing alles an!
Meine Oma war eine Oma wie man sich eine
Oma vorstellt: sie waren nicht groß, eher klein; sie war
nicht schlank, eher dick; sie hatte ein rundes gemütliches
Gesicht mit dicken Backen und diese Backen ließen es
nicht zu – sie war immerhin schon gut in den Siebzigern
- dass sich hier Altersfalten entwickeln hätten können.
Über ihren Bäckchen waren zwei muntere Augen, die
durch eine kreisrunde Nickelbrille gestützt, alles sahen,
was sie sehen wollten. Von ihrer rechten Hand stand ein
steifer Zeigefinger ab und wenn jemand etwas verlauten
ließ, das sie nicht für gut befand, hob sie ihren rechten
Arm und zeigte mit dem steifen Zeigefinger an, dass das
was man sagte nicht angebracht war oder gar widerlichen
Dingen zugeordnet werden konnte. Natürlich hob Little
Nonna auch ihren rechten Zeigefinger in die Höhe, wenn
sie etwas Überraschendes, Gutes oder Erfreuliches zu
hören bekam.
Ich war gerade mal 12 Jahre alt und hatte es mir
zur Angewohnheit gemacht meiner geliebten Oma ab
und zu ein kleines Geschenk von der Schule mitzubrin21
gen. Ein Geschenk muss zwei Dinge erfüllen:
1. Es muss eine Überraschung sein und
2. Es muss zur Gelegenheit passen
Als ich eines Tages statt ein paar Blümchen vom
Straßenrand, wie üblich, eine goldene Ansteckbrosche
überreichen wollte, musste Oma zweimal schlucken.
Meine Urgroßeltern stammten zwar aus Deutschland,
trotzdem machte Oma auf mich den Eindruck
einer italienischen, gemütlichen Großmutter. Deshalb
nannte ich sie immer liebevoll My little Nonna. Als ich
ihr also die schöne Brosche überreichen wollte, erhob sie
ihren steifen Zeigefinger, blickte mich über ihre randlose
Nickelbrille streng an und meinte
„Woher hast du das Ding?“
„Das Ding, Little Nonna, habe ich für dich in der
46. Straße, in einem Laden gekauft.“ Das war natürlich
gelogen. Ich hatte die Brosche von meinem alten Freund
Jimmyboy durch eine Wette bekommen. Das konnte ich
natürlich meiner geliebten Großmutter nicht sagen.
„Woher hast du denn so viel Geld?“, schoss die
Oma gleich eine weitere Frage hinterher.
„Ich habe Grover beim Abladen seiner Tomaten
geholfen“, auch wieder eine Lüge.
„Lügen haben kurze Beine…“, sagte die Oma
„…und wenn du weiter so lügst, werden deine Beine
immer kürzer, sodass deine Eier eines Tages auf der
Straße schleifen…..was treibst du für eine Nebentätigkeit?“,
wollte Oma wissen und ich sagte gleich darauf
„Fuck, ich bin im Transportgeschäft!“
Oma legte ihren Kopf etwas schief zur Seite
„Gib sofort die Brosche zurück…“, sagte sie
„…bring sie dorthin wo du sie her hast!“
Sie vermutete ich hätte wohl das Ding unrechtmäßig
erworben – im Klartext: geklaut - und so war ich
innerlich beleidigt, weil sie mir sowas ähnliches wie einen
Diebstahl zutraute. (Fuck you!)